Angela van Rooden im Espresso-Interview
Angela van Rooden ist Themenentwicklerin bei Liip, Co-Gründerin des Netzwerks „Women in Mobility“ Hub Bern und Vorstandsmitglied bei its-ch.
Was war dein schönstes Mobilitätserlebnis?
Es überwiegen die vielen sehr menschlichen Momente in allerlei Transportmittel: öV bzw. “Ride Sharing” verbindet. Ride Sharing ist zum Glück an vielen Orten etabliert - dabei denke ich z.B. auch an afrikanische Matatus! Auch die 3000 Meilen allein auf dem Velo durch die USA waren eindrücklich.
Was war dein schlimmstes Mobilitätserlebnis?
Überall wo die Menschlichkeit im Sinne eines Miteinander fehlt. Die meisten negativen Erlebnisse habe ich im Strassenverkehr. (Fast-)Unfälle, “Road rage” und rücksichtsloses Fahrverhalten - gefördert durch die strukturelle Bevorzugung der Autos. Immer wenn ich aus Holland wieder zurückkomme, bin ich schockiert, wie wenig sicher der Fuss- und Veloverkehr hier ist. In den Niederlanden ereignet sich nur pro 1.5 Mio. gefahrene Velo-Kilometer eine ernsthafte Verletzung, pro 7.5 Mio. km ein tödlicher Unfall. Dabei sind Velohelme eine Seltenheit.
Weshalb interessierst du dich für die Mobilität?
Ich wollte eigentlich in die Verwaltung oder Diplomatie und habe deshalb auch Rechtswissenschaften studiert. In meinen ersten Jobs waren mir die Ergebnisse zu wenig greifbar. Für mich war es dann stimmiger, mich etwas weiter hinten in der Wertschöpfungskette als Projektleiterin/Product Owner für Digitalisierungsprojekte konkret einzubringen. Mich interessiert auch das Handwerk, das “wie machen wir das jetzt?”. Ich empfinde es als sehr sinnstiftend, in diesen Rollen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Umwelt und Mobilität tätig zu sein. Der Schwerpunkt auf Mobilität ergab sich ab 2013 immer mehr. Und wir haben mit der Multimodalität gerade erst begonnen, Mobilität als ein Ganzes anzudenken. Mein bisheriger Werdegang war im besten Sinne iterativ und agil.
Welches sind deine aktuellen Projekte?
Beruflich bin ich bei Liip als Themenentwicklerin unter anderem für die opendatatransport.swiss-Plattform und den Open Journey Planner zuständig. Nebenberuflich hat mich spätestens seit meiner Zeit als Projektleiterin des Teilprojekts “Daten" bei NOVA das Thema gepackt, wie Digitalisierung und Daten zu gestalten sind, damit für die Gesellschaft nachhaltige nützliche Veränderungen erzielt werden können. Das sind auch meine Lieblingsthemen als Mit-Gründerin von Women in Mobility Bern und im its-ch-Vorstand. Für mich kommt hier so viel Spannendes zusammen: Es braucht Ideen, Technologie, Strategie, Empathie aber auch sehr viel Handwerk und Kommunikation im Projektalltag. In solchen Vorhaben, wie aktuell auch bei «Nationale Dateninfrastruktur Mobilität» (NaDIM), gilt es viel Unsicherheiten zum Teil über lange Strecken auszuhalten; das fällt vielen gerade in der Schweiz schwer. In einem Projekt wie auch in der Gesellschaft gibt es unterschiedliche “Wahrheiten”. Da lohnt es ich in meiner Erfahrung, wenn man einfach mal wahrzunehmen versucht, was denn das jetzt ist, und nicht sofort wertet.
Auch öffentliche Ausschreibungen sollten Unsicherheiten mehr “einbauen”, anstatt darauf zu fokussieren diese möglichst auszuräumen. Nachhaltiger ausschreiben, kann bedeuten, dass über Ausschreibungen vor allem die richtigen Köpfe und Teams evaluiert werden - und nicht Lieferobjekte und Pläne.
Welches sind die grössten Herausforderungen in der Mobilität in den nächsten 10 Jahren?
Nicht an den Bedürfnissen der Gesellschaft vorbei zu gestalten. Vorhaben umsetzen, die wirklich was bringen - auch kleine - und nicht aus Technologie- oder Innovationsverliebtheit oder “because we can”. Und ich rede von einer inklusiven Gesellschaft. In der Mobilität dominiert eine Ausrichtung auf den (Vollzeit)-Pendelverkehr plus dann noch Freizeitreisen. Weil dies die sichtbaren Marktsegmente sind! Die Orte und Wege im alltäglichen Leben von sehr vielen - SeniorInnen, Kinder und Jugendliche, unbezahlt Arbeitende (Care Work!), Nicht-Erwerbstätige... - richten sich an dem aus, was übrig bleibt. Unter anderem an mit Autos verstopften Quartieren, immer wieder unterbrochenen Geh- und Velowegen oder asphaltierten Oberflächen. In den Städten und Peripherien bleibt relativ wenig echter Lebensraum für relativ viele StadtbewohnerInnen. Die Superblocks in Barcelona oder wachsenden Autofrei-Zonen mitten in Wien sind ein guter Anfang. Auf Datenebene hat das auch mit dem Problem der sog. Datensegregation zu tun: Mobilität für die Erledigungen rundum Haushalt, Kinder und Pflegebedürftige sowie Teilzeitarbeit fällt in den Schweizer Statistiken meist unter “Freizeitwege”. Darin werden die Wege z.T. noch in andere Kategorien zerstückelt. Das Ergebnis? Das reguläre Pendeln ist ein grosses Marktsegment und die Planung wird danach ausgerichtet, aber die ganze Erledigungs- und Betreuungsmobilität erscheint nicht als das grosse Marktsegment, die sie ist.
Wärst du die Königin der Schweiz – was würdest du an der Mobilität ändern?
Das Auto als Stehzeug abschaffen. Das Auto ist eine tolle Erfindung, aber es gibt wohl keine Technologie, die so ineffizient genutzt wird: aufwändig produziert und meist nach Maximalbedarf angeschafft, steht es den Grossteil seines Lifecycles nur rum, und wenn es fährt, tut es das meist fast leer. Viele Autos werden frühzeitig ersetzt und nicht die Jahrzehnte gefahren, die sie eigentlich könnten.
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